Fassaden

 

Sheryl Conkelton

2014

 

 

Roland Fischers Serie Façades zeigt äußerst abstrahierte Bilder von Gebäudefassaden. Sie sind auf geometrische Strukturen reduziert, von Zufallseinwirkungen wie Licht und Schatten befreit und zudem eng beschnitten, um jede genaue Bestimmung des Ortes oder anderer Verbindungen zum Gegenstand zu tilgen. So scheinen sie jeder Interpretation zu widerstehen. Die Sujets geben sich nur in den Titeln zu erkennen: Suntory, Tokyo; Museum, Munich; nab, Melbourne; Uniqlo, Osaka; Wells Fargo, Dallas; Holiday Inn, São Paolo; Iglesias, Mexico City; High School, Utrecht – eine Liste von Unternehmen und Institutionen aus allen Teilen der Welt. Auf dem vertrauten Terrain einer spezifizierbaren Sprache wird eine Landschaft globalisierter Kultur lesbar und die leeren, straffen Oberflächen erscheinen als mehrdeutige Referenzen an die abstrakte und verborgene Dynamik des Spätkapitalismus.

Der flache und sich wiederholende Charakter der Façades-Bilder lenkt die Aufmerksamkeit auf die »Fassaden« des Serientitels: Die Gestaltung dieser Gebäude profitiert von den heute alltäglichen Verallgemeinerungen der Abstraktion, um Modernität zu signalisieren, ohne zu provozieren und bar allen Inhalts. Sie verschleiern die Tätigkeit der dem Namen nach dahinterstehenden Institutionen. Die Fassaden erweisen sich in dieser Darstellung als glatte, undurchdringliche und nicht differenzierbare Oberflächen, die auf den Umlauf der undifferenzierten Wirtschaftsgüter des Kapitals verweisen. Als Beispiele für die neoliberale kapitalistische Produktion stehen sie für das Verdrängen des »Raums der Orte« durch den »Raum der Datenströme«.1

Diese Lesart ist passend und gewollt, doch das Erscheinungsbild dieser abstrakten Designs ermöglicht noch einen anderen Bezug auf frühere Abstraktionen, besonders der modernen Kunstrichtungen wie Konstruktivismus, Suprematismus und Neoplastizismus. Fischer verfolgt in diesem Projekt ein Interesse, das alle seine wichtigen fotografischen Serien beeinflusst hat: die Erkundung zu Wesen und Funktion der Kunst und – besonders in Façades – ihren Platz in der modernen Gesellschaft, in der sich die Wege, wie Fotografien – Bilder aller Art – entstehen, verteilt und empfangen werden, gründlich verändert haben.

Fischer nutzt eigentlich stets das großformatige Bild und typologische Gebäude, sein Werk teilt einige Merkmale mit Arbeiten von Thomas Struth, Andreas Gursky und Candida Höfer. Deren Werke verfügen über eine unübersehbar bildhafte Objektivität, die zwar zu genauer Prüfung einladen, sie zugleich aber behindern, indem sie die Betrachter an die Oberfläche binden und die Aufmerksamkeit von den vordergründigen Sujets auf die Anordnung konzeptioneller Vorgänge umlenken. In der Bewertung durch die Kritik sind diese Arbeiten schrittweise theoretisiert worden: als eine neue Art der Objektivität, antiästhetisch und desinteressiert; als medienkritisches Spektakel; und als zum Zweck der Konfrontation entworfene tableaux; ihre Position wurde als ein Knotenpunkt der konzeptuellen Fotografie historisiert.

Fischers Projekte sind zwar in bildlicher wie in konzeptioneller Hinsicht durchaus ähnlich, unterscheiden sich von ihnen aber durch den Einsatz gewisser taktischer Gegensätze. In drei der Serien schuf er eine besondere und auffällige Mischung, indem er typologische Studien mit vergeistigt-entrückten Bildwelten kombinierte. Die Personen der Nuns and Monks (1984–1986) sind Menschen, die sich entschlossen haben, einem kontemplativen Orden beizutreten – deren strenger Glaube sich in ihrer Wahl spiegelt, einer religiösen Innerlichkeit zu folgen –, keine anonymen Einzelpersonen oder eine Auswahl von Typen. In Los Angeles Portraits (1989–1993) isoliert das umgebende Wasser zwar, ist aber nicht neutral oder ohne Wirkung; sein tiefes Blau und die auf Zufall beruhende Wirkung sorgen für doppelsinnige Tiefe und manchmal sanfte Bewegung, was den Bildern ein unerklärliches und ruhiges Leben verleiht. In Chinese Pool Portraits (2007) erscheint das blaue Wasser noch einmal, in dieser Serie aber wenden die meisten Frauen ihren Blick vom Betrachter ab, sind mit sich selbst beschäftigt oder von etwas außerhalb des Bildfeldes abgelenkt. Wenn sie hingegen gerade herausschauen, blicken sie ein wenig am Betrachter vorbei, konfrontieren ihn nicht, sondern sind einfach da. Statt der Demonstration von Desinteresse oder statt leerer Gesichter, die als Projektionsfläche dienen, zeigen sich die Bilder all dieser Serien in gewisser Weise sanft belebt, deuten auf oder verkörpern buchstäblich eine Art geisterfüllten oder metaphysischen Zustand.

Das während eines Aufenthalts in China entwickelte Projekt Collective Portraits (1997–2005) unterscheidet sich von diesen frühen Serien in Konzeption und Wirkung und scheint von seinem Ausgang her auf typologische und archivalische Anliegen zurückzuverweisen. Es zeigt verschiedene Typen von Menschen, kategorisiert durch ihre Arbeit oder ihre Tätigkeit: Studenten, Farmer, Soldaten, Pilger, Arbeiter. Hunderte von Einzelbildnissen sind in jeder Arbeit zu großen, in Rastern angeordneten Bildern zusammengefügt. Mit behutsamem Beschneiden, der Entfernung von Unterscheidungsmerkmalen, der strengen Anordnung und dem strengen Fokus auf Vergleichbarkeit, kommen sie am ehesten einer typologischen Manipulation gleich. Ihre schiere Zahl lässt an ein Archiv mit seinen gewaltigen Reserven für Meinungsmache und der Möglichkeit vielfacher Ausleg- und Auswertbarkeit denken. Jedoch erzeugen die Collective Portraits auch eine Wirkung, die über das hinausgehen, was man von einer Typologie erwartet, da Fischer sehr große Formate verwendet, um aufseiten des Betrachters eine physische Reaktion zu evozieren. Die Anordnungen mit der schlechterdings unmöglich zu quantifizierenden Menge beschwören eine erhabene Wirkung herauf, eine, die – weil sie einschüchtert – die Neutralität und das rein intellektuelle Vorgehen unterläuft.

In diesen unterschiedlichen Serien zielten Fischers Vorgehensweisen und das Arrangement von Elementen konzeptioneller Methoden darauf ab, Aspekte des Fotografischen zu erkunden – seine indexikale Stellung, seine Möglichkeit der Archivierung, seine serielle Ausdehnung. Doch er experimentierte auch mit dem Gefühl. Jede Serie enthält Elemente, die ein starkes Gefühl, wenn nicht sogar körperliche Erfahrung hervorrufen, ein Missklang also, der das ausschließlich begreifende Lesen oder Betrachten stört und die Funktion als Metapher möglicherweise auch ausschließt. Die Projekte bedienen sich der Vorstellung von Ästhetik, nicht als Ausdruck des Schönen, was die Bilder gleichwohl oft sind, sondern um ein allgemeines Konzept von der symbolischen Funktion der Kunst und dem Verleihen von Bedeutung auszuformulieren.

Die Serie Façades (1998–2014), mit der Fischer seine Erkundungen fortsetzt, bildet ebenfalls ein vielschichtiges Untersuchungsfeld ästhetischer Funktionen. Er nutzt den Bildgegenstand der modernen Abstraktion nicht einfach als ein erholsames Projekt, sondern als Brecht’sche Haltung, die eine produktive Wechselwirkung zwischen Vergangenheit und Zukunft eröffnet. Fischer nutzt die Abstraktion, ihr metaphorisches Potenzial und ihre historische Bedeutung, um einen vielfältigen Diskurs über die Möglichkeit der Kunstvermittlung innerhalb einer neoliberalen Kultur zu beginnen, die ihre Unabhängigkeit aufgekündigt hat. Die Abläufe dieses Kapitalismus hängen ab von der fortwährenden Abstraktion der Finanzwirtschaft, um Produkte und Arbeit durch finanzielle Spekulation zu ersetzen. Façades bezieht sich, wörtlich genommen, auf die Inanspruchnahme moderner Kunst als Deckmantel durch den neoliberalen Kapitalismus. Die Serie weist auch auf ihre eigene historisch komplexe Position innerhalb des Neoliberalismus hin, mit ihren vielfachen Verfahren der Abstraktion: dem formalen Rüstzeug moderner Kunst und ihrem spezifisch historischen Bezug auf transzendentale Bestrebungen; der Entfremdung durch Darstellung; der sozialen Prozedur, die Objekte umkodiert und in der die Fotografie dabei zu sehen ist, wie sie parallel zur Abstraktion des Finanzkapitals produziert.2

Die Façades-Fotografien sind selbst offenkundig nicht als Abstraktionen zu bewerten. Sie sind durchaus Abbildungen von Bildgegenständen, die aber sorgfältig gerahmt und so strukturiert wurden, dass sie nicht-darstellend erscheinen. Damit verweist Fischer auf das Wesen der Fotografie als abstrakten Vorgang, die Verwandlung des dreidimensionalen Sujets in ein zweidimensionales Bild. Diesen Effekt verstärkt er durch eine nur geringe oder fast vollständige Elimination von Tiefe; das camoufliert das eigentliche Subjekt und betont seine Flächigkeit. Viele der abgebildeten Oberflächen sind nahezu identisch mit ihrer materiellen Bildfläche, was bezüglich ihrer Beschaffenheit und Bedeutung als wirkliche Objekte Verwirrung und Furcht auslöst, eine Wirkung, die Fischer auch in der verwandten Serie Groups of Five (1998–2014) nutzt.3 Das große Format der Façades-Bilder erlaubt der abstrakten Musterung, wie ein bildliches Feld zusammenzufinden und auch, ironischerweise, das Spektakuläre seiner Größe zu entschärfen. Stattdessen erzeugt der sich wiederholende Rhythmus der geometrischen Muster kompositorische Bewegung und erzeugt eher ein bildliches Spiel als Information.

Abstraktion ist eine Vorgehensweise in den Façades, aber auch ein Thema, das in Fischers Konstruktionen hinterfragt wird. Die verflachten und reduzierten Bilder beziehen sich auf den historischen Zeitpunkt der frühen modernen Kunst. Die Fortentwicklung der nichtgegenständlichen Kunst durch moderne Künstler stand unter dem Einfluss vieler nichtmaterialistischer und geistiger Lehren. Deren neue Bildsprache verweigerte die Nachahmung der sichtbaren Welt, sie sollte stattdessen wie ein Zeichensystem mit metaphorischen Möglichkeiten funktionieren, das Unaussprechliche erfassen und ein neues Erhabenes erzeugen. Fischers Mimikry abstrakter Motive und Kompositionen ist eine experimentelle Konstruktion der Referenz, eine die sein Projekt bewusst mit den Erfindungen früherer Künstler verbindet. Das lässt ein Interesse an ihren Beweggründen vermuten und er erinnert, indem er sie evoziert, an die Entstehung der Abstraktion.

Fischer stellte in einem Kommentar zu new architectures, ein Projekt, das ihn während der Arbeit an Façades beschäftigte, fest, dass seine Bilder mit Vielfachbelichtungen Transformationen von »Räumen/Gebäuden in einer Art kubistischer Tradition« seien, »das Ergebnis ist – in gewisser Weise – wie eine ›dritte‹ Realität«.4 Als Metapher gedeutet, können die mehrfachen Ansichten im Kubismus eine unentschlossene oder unwirkliche Position bedeuten, eine entrückte, geistige Perspektive. Fischer erreicht dies in seiner Serie new architectures mit übereinanderliegenden Ebenen, die eine Referenz an die multiplen Perspektiven des Kubismus bilden. In Façades erreicht er mit der Einbeziehung grundverschiedener historischer Momente etwas anderes: die Abbildung von Abstraktion ist ein Weg, sich auf diese frühen modernen Bewegungen zu beziehen und auf die Werte hinzuweisen, die in ihrer idealen und idealistischen Form angelegt waren. Die Façades-Bilder provozieren gleichsam eine Kommunikation der institutionellen Bildgegenstände und neoliberalen Bedingungen mit denen ihrer modernen Gegenbilder; verschiedene Funktionen von Abstraktion erscheinen und verschwinden, weil Subjektivität sich verändert und Bedeutungen fortwährend wechseln.

Die Anspielung auf die Erfindung der Abstraktion schließt auch den Auslöser, die historisch vorangegangene Krise der Gegenständlichkeit, die grundlegende Veränderung in den Formen und die Erwartungen an die Aufgabe des Künstlers mit ein. Die Abstraktion begründete einen radikalen Bruch mit der traditionellen Darstellungsweise und eine Abkehr vom Bildlichen. Der Vorgang der Abstraktion erweiterte das begriffliche Repertoire der ästhetischen Formen; zusätzlich zu den Schilderungen der Wirklichkeiten und der Erklärung ihrer möglichen Bedeutungen lieferte die Kunst ihre eigene besondere Erfahrung und forderte intellektuelle und körperliche Reaktionen heraus. Kunst sollte ein ideales Reich werden, unabhängig von der Welt und in der Lage, besondere Erfahrungen bereitzustellen, die die Bedingungen der sozialen Existenz berühren und überschreiten konnten.

Die Façades-Serie beschäftigt sich mit einem vergleichbaren Krisenmoment und reflektiert die Sorge um Funktion und Status der Kunst als eine bedeutungsvolle Produktion. Der neoliberale Kapitalismus steht unter der Vorstellung vom Austausch der Märkte als der fundamentalen gesellschaftlichen Dynamik, ein Ethos, das alle Produktion leitet.5 Die Kunst wird im Neoliberalismus mit der Integration unter Marktbedingungen ihres unabhängigen kritischen Status und ihrer historischen Kraft beraubt; Kunst ist eine kaum mehr von anderen zu unterscheidende Ware. Die digitalen Formen, die solch ein System ermöglichen, bilden ein Mediennetz, das die Differenzen und Grenzen zwischen Kunst, Dokumentation, Text, Fotografie, Video und Animation beseitigt. Losgelöst von zugrundeliegenden anfänglichen Intentionen, ist der Wert eines jeden Objekts nicht mehr bestimmt durch die Absicht oder durch die Umstände in der realen oder praktischen Herstellung, sondern durch seine Verfügbarkeit und Nutzbarkeit zu jedem beliebigen Zeitpunkt: Dann verbreitet sich Kunst wie alle Bilder dies tun. Die Ästhetik wird zu einem besonderen Instrument degradiert und die Kunst ist nicht länger ein glaubwürdiges anderes.6

Fischer aktiviert mehrere Strategien, um diese Bedingungen zu erfassen. In den Façades finden sich etliche Auslassungen und Konfrontationen von Abstraktion, Schilderung oder Darstellung, spielerisch eingesetzt, um das Material und die theoretischen Vorgänge seines Sujets und Mediums zu verkomplizieren. Als digital produzierte Werke7 sind die Fotografien sowohl postmediale Gegenstände als auch Abbilder der sie beherbergenden neoliberalen Institutionen. Fischer hat den fotografischen Prozess von Exzerpieren und Verflachung voll ausgeschöpft, um Kompositionen zu erzeugen, die seine Bilder noch abstrakter erscheinen lassen, schon das macht die Bezüge zur modernen Kunst noch offensichtlicher. Sie sind als Bilder nicht Abstraktionen, verweisen aber auf die Abstraktion als Bildgegenstand und beziehen die metaphorische Funktion wie auch die historische Bedeutung mit ein. Diese wurde entsprechend einiger theoretischer Darstellungen ausgelöst durch die Möglichkeit der Fotografie, die Realität genauer abzubilden als die realistische Malerei. Die Façades-Bilder beziehen sich auf diese Situation und führen gleichzeitig ihre eigene Situation vor, der Wechsel zwischen Abstraktion und Darstellung wird mithilfe feiner Variationen wiederholt. In einigen Bildern ist die Bildfläche mit der fotografierten Oberfläche identisch, was den Unterschied zwischen Bildgegenstand und dem Bild als Objekt auslöscht. In anderen Fällen wurde die Kamera leicht geneigt, was Tiefe und ein Gefühl von Räumlichkeit evoziert, was die Aufmerksamkeit wieder auf den Status der Bilder als Fotografien lenkt. Fischer nutzt die Fotografie, ein abstrahierendes Medium, um die Abstraktion darzustellen, und er erreicht,  durch den Vorgang des Abbildens, ironischerweise auch das genaue Gegenteil.

Fischer macht auf einem anderen Weg Gebrauch von den gegensätzlichen Vorgängen der Abstraktion und Darstellung. Bilder generieren alle Möglichkeiten: Metonym, Metapher; einen Moment und seine unendliche Ausdehnung; die Umstände ihrer eigenen Entstehung und einer parallelen Situation in der wirklichen Welt; die Bindung an ein Sujet oder einen Referenten ebenso wie die vollständige Loslösung. Sie funktionieren wie die Fassaden der Institutionen – sie verdecken, sie verschleiern, sie leiten um – und können diese Vorgänge gleichzeitig hinterfragen. Fotografien können dies als Bilder und stellen wohl auch eine materielle Verschiedenheit dar, als Objekte mit einer sich von anderen Medien unterscheidenden Oberflächenqualität sowie mit einer Aufnahmefähigkeit, materiell und konzeptionell, um andere Sinneseindrücke als Malerei oder Sprache zu erzeugen. Fischer interessiert das Problem der Verschiedenheit von Fotografie, ihr »entweder-und«-Potenzial; in jedes seiner Projekte hat er Widersprüche eingebaut, die diesen Gesichtspunkt von wahrem, beziehungsweise nacktem  Leben nahelegen: der beständige Austausch von Gegensätzen, die »Kaskade der Antinomien«, die im Alltagsleben aufgelöst werden müssen oder denen zumindest Rechnung getragen werden muss.8 Fischer erstellt einen greifbaren Sinn von Irreduzibilität und Zweideutigkeit und erweitert ihn durch die Komposition von Façades als einen steten Wechsel zwischen Darstellung und Abstraktion.

Diese Dynamiken und ihr Hin- und Herschieben zwischen vielen verschiedenen Deutungsmöglichkeiten flößen den Façades so etwas wie Lebendigkeit oder sogar Tätigkeit ein. Im Unterschied zu Fischers frühen Serien mit ihren Gegensatzschauern zwischen anscheinender Objektivität und den feinen Gesten in Richtung einer Symbolik, ist diese nun eine, die vielfältige Emotionen auslöst. Façades reicht über den eingebetteten Widerstand einer zur Schau gestellten neoliberalen Strategie hinaus und die Nutzung vielfältiger Nachforschungen legt eine dynamische Subjektivität nahe, eine, auf die in Bezügen zu moderner Abstraktion angespielt wird und die in ihrem Trend noch durch die Vielfalt von Bedeutungen verstärkt wird, die das Façades-Projekt vorschlägt.

Eine Reihe von Theoretikern hat jüngst vorgeschlagen, dass die geeigneten Aktivitäten, die in der neoliberalen Herrschaft von affektiven Ökonomien »Bedeutung machen« erzeugen, eine neue Art von Subjektivität und individueller Kraft konstituieren. Fischers Façades beschäftigt diese theoretischen Positionen mit der Wiedereinführung der modernen Abstraktion und ihren Positionen, sie in das einfügend, was Frederic Jameson »die weniger greifbaren Abstraktionen des Bildes oder des Logos, die mit etwas von der Werte-Autonomie des heutigen Finanzkapitals arbeiten«, genannt hat.9 Darunter sind die Möglichkeiten der Fotografie mitumschrieben, nicht nur auf der Ebene der Darstellung oder Information, sondern in der kritischen Position, die durch die wechselnden Vorgänge von symbolischer Bedeutung und wirklichem Affekt entstehen. Fischer konstruiert in den Façades eine produktive Unterhaltung zwischen historischen Momenten und eröffnet eine lebhafte und aktivierende Wechselwirkung zwischen Positionen und Subjektivitäten.

 

 

 Sheryl Conkelton is a curator, writer, and educator currently living in Houston.

 

 

[Anmerkungen]

1 Diese Formulierung stammt von Manuel Castells; siehe Manuel Castells, The Information Age: Economy, Society and Culture, Malden, MA 1996 (dt.: Das Informationszeitalter, 3 Bde., Opladen 2001–2003).

2 Eine weit nuanciertere Darstellung zur Entfaltung der Abstraktion stammt von Mark Godfrey; siehe Mark Godfrey, Response to George Baker: Photography and Abstraction, in: Alex Klein (Hg.), Words without Pictures (Ausst.-Kat. Los Angeles: Los Angeles County Museum of Art, 2009), S. 285–287.

3 Diese Serie (unvollendet, aber auf ungefähr zwanzig Werke insgesamt angelegt) besteht aus Gruppen von fünf Bildern, in der Größe kleiner als die Façades-Bilder. Es gibt wenig Hinweise auf Tiefe in jedem Bild und die Vergleiche, die aus ihrer seriellen Anordnung entstehen, erlauben es, dass sie leicht als geometrische Abstraktionen gelesen werden, was ferner die Verwandtschaft zu gemalter Abstraktion betont.

4 Roland Fischer, Artist Statement, in: new architectures, 2009, URL: <http://www.rolandfischer.com/wp-content/uploads/2012/10/statementnewarchs.pdf> (gelesen am 1. Juli 2014).

5 Das ist drastisch reduziert von der Beschreibung des Neoliberalismus, die David Harvey entwickelte; siehe sein A Brief History of Neoliberalism, New York 2005 (dt.: Kleine Geschichte des Neoliberalismus, Zürich 2007).

6 Nicholas Brown, The Work of Art in the Age of Its Real Subsumption under Capital, 2012, URL: <http://nonsite.org/editorial/the-work-of-art-in-the-age-of-its-real-subsumption-under-capital> (gelesen am 14. Juni 2014).

7 Die Façades-Bilder wurden bis 2007 mit analoger Kamera gemacht, als Fischer zu digitalen Kameras wechselte. Alle Abzüge sind Digitaldrucke, das heißt, gedruckt von digitalen bzw. digitalisierten Dateien.

8 Fischer zitierte diesen Satz des Filmkritikers Peter Wollen, der sich mit der besonderen Ästhetik des Films und seiner Möglichkeit, als Zeichensystem zu funktionieren, beschäftigt, in einem Interview mit der Autorin, 2. August 2014.

9 Frederic Jameson, The End of Temporality, in: Critical Inquiry 29, Nr. 4 (2003), S. 703.

 

Sheryl Conkelton, „Façades“ in Roland Fischer „Façades“,  published by Hirmer, Munich 2014

 

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